2001
978-3-938114-05-6
111 Seiten, Broschur
neuer Preis € 4,00 (vorher € 8,00)
Die Angst vor den Inländern. Satiren.
Mitunter reicht es ja schon aus, eine Bemerkung zu zitieren, schon ergibt sich unmittelbar aus dem Leben gegriffen eine gelungene Satire.
Hidir E. Çelik hat diesbezüglich einen sicheren Griff. Er nimmt Äußerungen von Politikern aus dem Blickwinkel eines Zugewanderten auf, dem mehr als nur manches fremd vorkommt.
Aus der Presse: Çelik amüsiert »das Publikum mit seinen satirischen und nachdenklichen Kurzgeschichten zum Thema Integration aus der Perspektive eines türkischen Mitbürgers: von türkischen Familienvätern, die sich grämen, weil ihre Kinder deutsche Staatsbürger werden; von Sauerkraut und Döner und von Deutschen, die in ihrem Gut-Mensch-Eifer die einfachsten Regeln der Höflichkeit vergessen. Çelik erzählt warmherzig und ohne Bitterniss.« (General-Anzeiger, 27. März 2001)
Leseprobe
Sprachtest
(…)
Mahmut war verstört, als er erfuhr, dass seine Kinder die deutsche Staatsangehörigkeit beantragt hatten. Er ging wie immer zum türkischen Teehaus in der Sommerringstraße in Ehrenfeld, um Karten zu spielen. Während eines Spieles wurde er mehrmals von seinem Spielpartner ermahnt. »Jaahu, Mahmut was hast du heute, hast du deine Schiffe im Schwarzen Meer verloren?« »Nein, nein, keine Schiffe, aber ich habe meine Kinder verloren.« Seine Spielfreunde fragten fast alle gleichzeitig: »Wie, hast du deine Kinder verloren? Was ist passiert?« Mahmuts Gesicht wurde rot vor Scham: »Meine Kinder werden Deutsche!« Sein Spielpartner sagte launig: »Jaahu, Mahmut, was hast du erwartet? Hast du geglaubt, dass deine Kinder Türken bleiben? Vergiss es, Bruder, vergiss es. Sie waren schon verloren, bevor du hierher kamst. Spiel deine Karten, sonst wirst du noch eine Runde Tee dazu zahlen.«
Im Laufe der Zeit gewöhnte sich Mahmut daran, dass seine Kinder Deutsche waren. Seine Ängste waren umsonst. Er überlegte sogar, selbst die deutsche Staatsangehörigkeit zu beantragen. Im Februar 1999 stellte er schließlich den Antrag auf Einbürgerung. Ein Jahr später bekam er eine Einladung von der Einbürgerungsstelle zum Sprachtest. Nach dem neuen Einbürgerungsrecht muss Mahmut einen Sprachtest machen. Um ihn zu bestehen, muss er einen Zeitungsartikel vor dem Einbürgerungsbeamten laut vorlesen und wiedergeben, was er verstanden hat. (…)
Unterwegs zur Einbürgerungsstelle kaufte er sich die Tageszeitung Hürriyet und steckte sie in die Innentasche seiner Jacke. Im Warteraum las er seine Zeitung, bis er herein gerufen wurde. Der Beamte schaute Mahmut an. »Sie sind Herr Kara?« »Ja«, sagte Mahmut. Der Beamte: »Können Sie Zeitung lesen?« Lächelnd antwortete Mahmut: »Ich lese jeden Tag Zeitung. Von der ersten bis zur letzten Seite.«
Erstaunt guckte der Beamte Mahmut an und sagte: »Na, das werden wir mal sehen!« Bevor der Beamte Mahmut eine Zeitung zum Lesen übergeben konnte, zog Mahmut seine Zeitung schnell aus der Tasche und zeigte sie dem Beamten. »Sehen Sie, ich trage meine Zeitung immer bei mir. Darf ich was vorlesen?« Der Beamte schüttelte seinen Kopf. »Nicht doch eine türkische Zeitung, sie sollen aus einer deutschen Zeitung vorlesen. Wir sind hier in Deutschland.« Mahmut: »Ja, Herr, ich weiß, ich weiß, dieses ist ja eine deutsche Zeitung. Sie wird in Frankfurt herausgegeben. Wissen Sie das nicht?« Der Beamte war sauer. »Man lebt seit über 30 Jahren hier und kann keine deutsche Zeitung lesen.« Mahmut: »Herr, ich kann lesen, aber die hier…« Der Beamte: »Herr Kara, das war es für heute, sie werden von uns hören…« Mahmut wartet seit Tagen ungeduldig auf die Post von der Einbürgerungsstelle.